Natur? Eben nicht!

In unterschiedlichen Foren lese ich immer wieder Diskussionen zwischen Vegetatier*innen, Veganer*innen und Allesesser*innen.

Häufig werden folgende Argumente fürs Fleischessen angeführt:

1) Die Natur / die Natürlickeit des Fleischessens
2) Die Anatomie des menschlichen Körpers als Beweis dafür, dass der Körper auf das Essen von Fleisch ausgerichtet ist
3) Vegane Ernährung sei teuer


1) „Die Natur hat es so eingerichtet, die Natur ist knallhart!“
Das soll ein Argument fürs Fleischessen sein.

Mit der Natur zu argumentieren wenn es um die Beschreibung der unnatürlichsten, abgespaltensten, heimlichtuerischsten Industrien der gesamten Evolution geht… da hört bei mir die Lust am Diskutieren eigentlich auf. Dennoch, ich möchte heute einige Gedanken dazu mal aufschreiben.

Die Natur sei „knallhart“, und deshalb industrialisieren wir die Milch – und Fleischindustrie zu einem monströsen Vergewaltigungs – Tötungs – Folter- und Schlachtkriegsschauplatz!?!?!?!

Was die Menschen in Sachen Tötungsmaschinerie auf die Beine gestellt haben, findet sich weder in der Natur, in der Pflanzenwelt, noch bei den Bakterien, Pilzen, Amphibien, Säugetieren, unter Vögeln – nirgends. Das schaffen nur wir herzlosen Hohlköpfe von Menschen.
Wenn Tiere in den Schlachthof geführt werden, dann schreien sie. Auch wenn sie noch nie auf der Weide waren. Sie kapieren intuitiv: da drin ist die Hölle! In der Natur würden sie vor einem Feind wegrennen, sich wehren oder sich totstellen.
Schreien gehört nicht zum Naturprogramm eines Beutetiers.

Wollen wir wirklich Massentierhaltung, Milchraub unter Folterbedingungen und Industrieschlachthöfe mit „knallharter Natur“ vergleichen? Wie herzlos und unverbunden muss man sein, um die Unterschiede nicht zu erkennen?
Um die eigene Kaltblütigkeit irgendwie auszuhalten, dissoziieren wir unser eigenes Verhalten. Auch dieses Dissoziieren gibt es nur bei den Menschen, und bei keiner sonstigen Lebensform, soweit mir bekannt ist.
Nirgendwo in der Natur gibt es Schlachten auf Vorrat, ohne dass das erbeutete Zeug dann komplett gefressen wird.
Wir dagegen sitzen seit Jahrzehnten auf immer neuen „BUTTERBERGEN“ und Gammelfleisch, die wir so widernatürlich produzieren, dass wir lieber wegschmeißen und verderben lassen, als aufzuhören, diese Industrien zu subventionieren und mit Nahrungsmitteln zu spekulieren.
Das ist nicht nur nicht Natur, das ist das Gegenteil von Natur: das ist sinnlose und berechnende Versklavung und Auslöschung anderer Spezies, Arten, Saaten und Leben. Das ist Vergeudung unserer Steuergelder und Raubbau des Planeten für alle kommenden Generationen, falls nicht irgendjemand dann doch was anderes recht bald erfindet.

Nochmal – das alles gibt es nicht in der Natur.
In der Natur gibt es auch kein tagelanges marinieren, kochen, würzen und braten, um die Leichen irgendwie runter zu kriegen, die man kaum anfassen und selbst schlachten will, und schon gar nicht fangen und reissen kann.

Als Naturvolk feierst Du wiederkehrende Dankbarkeits-Rituale für das Fleisch zum eigenen Lebenserhalt.
Als Kulturvolk dissozierst Du Deine Untaten und schwafelst irgendwelchen Unsinn von Vitaminen und Proteinen.
Naturvölker haben keine Schlachthäuser und tiefgekühlte Pizza mit Speck und Spaghetti Bolognese aus der Supermarkt-Packung.
Völlig unverbundene Menschlein, die mit Natur argumentieren… das macht doch überhaupt keinen Sinn…
„Typische Veganer“ nehmen durchschnittlich mehr Vitamine auf als „typische Allesesser“, und ich vermute mehr und mehr, dass die Proteinsucht ein hoax der Fleischindustrie ist (s. The game changers)
Beides ist wohl längst und vielfach erwiesen…

2) Die Anatomie. Die Zähne.
Die Zähne und Kiefer des Menschen sind lächerlich im Vergleich zu Omnivoren oder carnivoren Tieren. Wenn Du mit Deine Zähnen und Deinen Händen und Beinen versuchen wolltest, ein Schwein zu erjagen, zu töten und ohne Messer und Gabel zu essen, dann würde das Schwein wahrscheinlich eher Dich essen.
Schweine sind nämlich echte Allesfresser. Selbst ein Hausschwein könntest Du alleine und ohne Waffen und Werkzeuge wahrscheinlich nicht fangen und töten. Nicht mal ein Huhn könnten wir mit unserer körperlichen Ausstattung ohne Werkzeuge und ohne Feuer essen.

Ich möchte uns mal sehen, wie wir in freier Wildbahn nackt und ohne Werkzeuge, Feuer und Waffen, dafür aber ganz anatomisch Schweine und Rehe jagen, fangen, töten und mampfen wollen.
Da wirst auch Du ganz schnell vegan.

Vielleicht finden wir zufällig mal ein Ei, das nicht ein Bussard vor uns gefunden hat. Einmal im Jahr oder so. Echte Carnivoren würden sich über uns schlapp lachen. So ein Wolf oder eine Wildkatze. Oder ein Adler.
Wenn Du Anatomie bemühst, dann bitte konsequent. Ich weiss nicht, was Du für Krallen und Kiefer hast, und wie schnell du rennen kannst, aber ich glaub, ich würd wohl weiterhin Wurzeln und Früchte essen… Meine Beine, Hände, Zähne und Verdauungstrakt geben nicht her, dass ich ein Tier reiße und verdaue, ohne es vorher zu kochen. Das können unter 8 Milliarden Menschen vielleicht so ein paar Massai-Hansele, die aber auch Waffen benutzen und Feuer haben.
Also – ich weiss nicht.
Anatomie spricht eher für Veganismus.
Man denke nur an die ganzen Laktose-intoleranten.
Man denke daran, wie lang unsere Darmsystem ist.
Carnivoren haben einen megakurzen Darm, damit das Leichenzeug nicht zu faulen beginnt.

Und unsere Eckzähne, hahaha!
Immer mehr brauchen kieferorthopädische Nachhilfe, damit sie überhaupt durchbrechen. Und selbst, wenn sie ordentlich durchgebrochen sind – welches Tier willst du damit killen? Hühner? Mit all den Federn? No way…

Proteine und Nährstoffe

Auch was die lebensnotwendigen Proteine und Nährstoffe angeht, irrst Du Dich. Es gibt nur ein einziges Vitamin, das Du als Veganerin supplementieren musst: Vitamin B12. Das nimmst Du als Veganerin nicht auf, weil du deinen Salat wahrscheinlich wäschst.
B12 wird von Bakterien erzeugt, die auf Blättern und sonstigem Grünzeug sitzen. Einmal abgewaschen, sind auch die Vitamine weg.
Es gibt allerdings Algen, die Vit B12 enthalten. Die kann man auch essen.

Masttiere bekommen Vit B12 im Normalfall, also in 98% der Nutztierhaltung, zum Futter supplementiert. Zusammen mit den Antibiotika und Steroiden.
Die isst Du dann auf dem Umweg übers Tier oder das tierische Produkt, wie Milch, Joghurt oder Eier.
Deshalb brauchst Du als Vegetarierin oder Allesesserin kein zusätzliches B12. Dafür bekommmst Du dann halt leichter Krebs, Gicht, Herzinfarkt, Diabetes oder Schlaganfall. Nochmal – es ist nicht nötig Tiere und Tierprodukte zu essen.

Und ganz nebenbei – viele Allesesser haben Mangelerscheinungen, richtig?


3) Die Kosten
Das nächste Argument veganes Essen sei teuer, ist Quatsch.
Nudeln, Reis, Kartoffeln, Brot, Linsen, Bohnen, Gemüse kosten für Veganer genauso viel oder wenig wie für Allesesser. Nur das teure Fleisch ersetzt Du durch billige Bohnen oder Linsen.

Also: Zähne, Anatomie, Natur und hohe Kosten funktionieren nicht als Argumente fürs gewohnheitsmäßige Fleischessen.
Das Argument „Natur“ ist von allen noch das schmerzhafteste. Wenn Du mit dem Höhlenmenschen argumentierst, dann zeig mir doch Deine Höhle, Mensch! Manche von uns haben Köpfe und Hände, um zu mehr Bewusstsein zu gelangen. Die einzigen Argumente FÜR Fleisch sind der angelernte Geschmackssinn, Konditionierung, Unwillen dazuzulernen und Tradition: der Gruppenzwang der toten peer-group. Das alles ist einfach nur traurig und ekelhaft.

P.S. Von 100 Joule, die man in ein Rind steckt, um Rindfleisch daraus zu machen, landen 4 Joule beim Endverbraucher. Das ist eine monströse Vernichtungsmaschine von Energie, Wasser, Erde und Geld!
Nirgendwo sonst wird so defizitär gewirtschaftet. Das geht nur mit Subventionen. Ich bin dann raus aus diesem Artikel.
Vielen Dank fürs Lesen.

4 Antworten auf “Natur? Eben nicht!”

  1. Liebe Karmen, ja, finde ich gut zusammengefaßt und auch lebendig 🙂

    Ich selbst bin seit meinem 19 Lebensjahr Vegetarier und seit meinem 49. Lebensjahr Veganer – im Prinzip also schon über 10 Jahre …

    Ich kenne aber Menschen, die tatsächlich Fleisch brauchen – die nämlich eine zeitlang auf vegan gemacht haben, eben vor allem auch aus ethischen Gründen, dann aber in ihrer Leistungsbereitschaft abgefallen sind.
    Nach dem sie dann mehr oder weniger widerwillig wieder Fleisch gegessen haben, ging es ihnen wieder besser.
    Allerdings ist dieser Fleischkonsum minimal, nämlich einmal bis max. zweimal pro Woche. Das reicht eben schon für diese Menschen aus. Und selbstverständlich dann Bio-Fleisch, also nicht aus Massentierhaltung.

    Von Käse, Butter usw. also Milchprodukten, können diese Menschen allerdings gut absehen – das ist praktisch unnötig.

    Persönlich bin ich – trotz dieser mir selbst bekannten Beispiele – davon überzeugt, daß die meisten Menschen komplett ohne tierische Produkte auskommen könnten und zwar besser als mit …

    herzlichen Gruß
    Jürgen

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  2. Wow, das nenne ich mal Leidenschaft. Direkt unverblümt und auf den Punkt gebracht. Solange man selbst der Mörder ist macht man sich keine Gedanken um die Opfer. Die Menschen wissen nicht, das ihr Fleisch aus Wasser, Salz, Gewürzen, Antibiotika, Wachstumshormonen, Genmanipuliertem Futter etc. besteht. Dass alle Knorpel, der Knochenabrieb, Schwarten die nicht nutzbar, fein zermahlen und gequetscht zu Separatorenfleisch, das gar nicht Fleisch benannt werden darf unter das Hack, das Mett, die Wurst und Würstchen gegeben wird. Da sind dann die Vitamine und gesunden Eiweiße drin. Das ist nicht nur widerlich, es ist auch im höchsten Maße ungesund. Da kann man schon mal geringschätzig auf eine Bohne oder eine Hülsenfrucht herab sehen. Jeder der Fleisch konsumieren möchte, sollte einen Tag in ein Schlachthaus geschickt werden und danach, zur Krönung des Tages, ein paar Schweine und Rinder töten. So Auge in Auge mit seinem Opfer. Möchte doch wissen wie die Herren Menschen reagieren, wenn ein von Angst geschütteltes, mit flehenden Augen entsetztes Tier, ihnen förmlich zuschreit bitte töte mich nicht. Ob dann der Montagsbraten noch schmeckt?
    Gruß TC, danke für diesen so ehrlichen Artikel

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  3. Ja….. wofür ist „der Mensch“ gemacht ? Allesesser oder Pflanzenesser ? Ich hab jetzt rohes Fleisch noch nicht in größeren Mengen probiert, aber Serrano-Schinken finde ich sehr lecker. Ich esse aber auch gerne Obst und Gemüse. Und ich esse zu viel Zeug mit Zucker drin. Zumindest glaube ich das, nachdem ich viel gelesen habe. Es gibt dann auch noch die Geschichten, dass KuhMilch eigentlich gar nicht als Nahrung für den Menschen geeignet ist und eigentlich nur mal wieder durch kapitalistische Überlegungen als Lebensmittel entdeckt wurde. Und wie war das so um Christi Geburt rum ? Was wurde denn da so rund um die Welt gegessen ? Ich glaub, da gab es auch schon Fleisch und Käse. Industrielle Herstellung ist natürlich ne andere Nummer als vom Bauernhof, hab mal gelesen bei McD werden die Patties mit Ammoniak „gewaschen“. Ich sag mal so: der Mensch kann Fleisch essen und verstoffwechseln, muss aber nicht. Wieviel davon jedem guttut muss man selbst ausprobieren. Ob es der Welt insgesamt besser ginge wenn wir fast kein Fleisch mehr essen würden ? Wahrscheinlich ja. Aber erzählt das mal meinem Freund Tönnjes.

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  4. Hallo Ihr lieben Kommentierenden!

    Ja, persönliche Gründe und Befindlichkeiten kann ich sehr wohl verstehen.
    Mir geht es besser, wenn ich tierische Produkte esse“ oder „mir schmeckts halt“. Das sind individuelle Antworten, die ich zur Kenntnis nehme und mit der Schulter zucke.

    In meinem Artikel geht es um Statements, die verallgemeinernd und falsch sind, aber das konventionelle Glaubensbekenntnis stärken und damit ein falsches Ernährungs- und Verhaltenskonzept zementieren.

    Und das geht mir einfach aufn Keks.

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