Erst neulich schrieb ich über das Vorurteil, dass Co-Abhängige sich übermäßig an der Schwäche ihres suchtkranken Angehörigen weiden.
Bei manchen Co-Abhängigen mag das vielleicht so sein, ich vermute dieses Merkmal jedoch bei einer Minderheit der Trinkerfamilien.
Alkoholismus ist eine dynamische Familienkrankheit, und den wenigsten Co-Abhängigen geht es darum, sich einen Trinker zu „erschaffen“ und ihn als solchen „aufrecht zu erhalten“, genausowenig, wie wahrscheinlich noch nie ein junger Mensch mit voller Absicht beschlossen hat, suchtkrank zu werden.
Ich schließe nicht aus, dass es sehr sehr wenige Ausnahmen dazu gibt.
Die meisten Co-Abhängigen werden aus Unwissenheit „Sucht-Ermöglicher“: weil den meisten von uns von klein auf loyales, freundschaftliches Verhalten als das „richtige“ charaktervolle Verhalten beigebracht wird, wenden wir das ohne Unterschied auf alle Menschen an.
Da wir gleichzeitig keine Hinweise erhalten, dass ebendieses Verhalten gegenüber Suchtkranken ihre Krankheit unterstützt, werden Angehörige unbeabsichtigt und mit besten Absichten Suchtverstärker.
Lobenswertes, loyales Verhalten kann suchtkranke Menschen noch süchtiger machen, doch das wird nirgends erwähnt oder gelehrt. Betroffene müssen das durch eigene Anschauung selber lernen und nicht jedem/r gelingt das besonders schnell.
Wir lernen nicht, dass und wem unkritische Loyalität schadet.
Ein nicht zu unterschätzender Aspekt ist auch Folgender:
Die Co-Abhängige Person hat auch eigene Interessen: Nämlich unter anderem den Fortbestand der Liebesbeziehung, der Ehe, der gemeinsamen Elternschaft, und den Glauben und die Hoffnung, dass der suchtkranke Partner wieder „ganz der Alte“ und die Partnerschaft gesund wird.
Diese eigene Agenda des Co-Abhängigen Partners spielt der Sucht des Gegenübers meistens auch in die Karten, während in Beziehungen unter Nicht-Süchtigen dieselbe Agenda als völlig in Ordnung und nachvollziehbar gilt.
Es ist leider kein Allgemeinwissen, dass es Menschen gibt,
– denen unkritische Loyalität schadet
– woran man sie erkennt
– und welches Verhalten gegenüber geliebten suchtkranken Menschen wirklich hilfreich ist.