Labor-Fleisch. Ja oder Nein?

Anyway fragte mich neulich, was ich über Labor-Fleisch denke, also über Fleisch, das aus Zellen gewonnen wird, die lebenden Tieren entnommen werden. Die Tiere sterben daran nicht, im besten Falle werden sie freundlich gehalten, und die Muskelzellen werden unter Betäubung entnommen und die Wunde an der Entnahmestelle wird veterinär-chirurgisch versorgt. Für die Produktion von vielen Tonnen Fleisch sollen nur einige hundert Gramm Muskelzellen nötig sein.
Es gibt allerdings noch weitere Tieropfer:
Das Nährmedium, das das Kunstfleisch im Fleischgenerator wachsen lässt, ist fötales Kälberserum.
Dieses muss zur Zeit noch aus lebendigen Kälberföten gewonnen werden, indem Blut aus ihren noch schlagenden Herzen komplett abgesaugt wird, um daraus besonders wachstumsfördernde Stammzellen zu isolieren.
Kälberföten können nur aus tragenden Schlachtkühen gewonnen werden.
Dies gilt sogar unter Fleischessern als höchst umstritten. Deshalb arbeitet man an veganen Nährlösungen, und die Ergebnisse sind vielversprechend.

Bisher sind diese Verfahren (pekuniär) noch zu teuer für die Endverbraucher, um die Massentierhaltung und Bio-Landwirtschaft zu ersetzen. Aber – die Kosten werden immer geringer, weil die Forschung inzwischen weiter gekommen ist.
Die aktuellsten Beiträgen legen nahe, dass ein Kilo Labor-Fleisch zurzeit um die 130-150 euro pro Kilo kosten würde.
Der allererste Labor-Burger hat vor wenigen Jahren noch, nämlich 2013, 250.000 Euro gekostet.

Als Veganerin und Anti-Speziesistin sage ich – was für eine kranke Abspaltung von allem Natürlichen…
Als Mensch, der guckt, denkt, rechnet und abwägt, sage ich: „warum nicht?“.

Ja, auch für Laborfleisch werden Tiere von Menschen ausgebeutet, ausgenutzt, verletzt und objektifiziert. Allerdings sterben sie dafür nicht (abgesehen von den zu schlachtenden Mutterkühen und ungeborenen Kälbern, die für das Nährmedium verwendet werden), und es braucht nur sehr sehr wenige Tiere, denen nur sehr sehr wenige Zellen entnommen werden müssen. Die Tiere leben danach weiter, im besten Falle mit tierfreundlichen Landwirten.

Für das Klima, den Wasserverbrauch, die Ackerflächen, den Transport, die Abfälle, und andere Umweltaspekte, wäre Laborfleisch ein Segen. Der Schaden wäre deutlich kleiner und die Menschen könnten weiter Fleisch essen.
Und natürlich gäbe es wesentlich weniger sinnloses Tierleid.

Insofern kann ich Laborfleisch als einen Zwischenschritt oder einen semipermanenten Schachzug ansehen, der in letzter Konsequez zu pflanzlicher Ernährung führen kann.

So ein bisschen wie bei E-Zigaretten.
Zumal Fleischkonsum auch nicht anderes ist, als eine Sucht. Völlig unnötig und dabei unfassbar schädlich – nicht nur für den Süchtigen, also den Konsumenten, schädlich, sondern auch für seine Umgebung.

Wenn es zu langfristiger Abstinenz führt – warum nicht?

2 Antworten auf “Labor-Fleisch. Ja oder Nein?”

  1. Oh, danke dass Du dich damit beschäftigt hast, liebe Karmen! Und gut, dass Du dich damit auch im Detail befasst hast. Mir war gar nicht bewusst, dass das nur mit lebendigen Kälberföten funktioniert. Das ist für mich wieder ein gewichtiger Punkt auf der Kontra Seite.
    Aber klar, wenn so das tägliche Abschlachten von Millionen von Tieren und alle anderen negativen Folgen der globalen Fleischproduktion für die Umwelt vermieden werden kann, würde es auch praktische Verbesserungen mit sich bringen.
    Aber ganz einfach direkt vegan zu leben ist aus meiner Sicht die um Welten überzeugendste Variante.
    Das kann aber natürlich nur auf freiwilliger Basis von jedem einzelnen Menschen entschieden werden. Deswegen finde ich auch, dass Labor-Fleisch, zumindest sobald man vegane Nährlösungen anstatt Kälberföten zur Herstellung verwenden kann als erster Schritt begrüssenswert ist.
    Ich denke in Zukunft wird man sich immer weiter von der Idee Tiere zu schlachten entfernen. Ich glaube es ist zwar noch ein relativ Weiter weiter Weg, aber die Entwicklung der letzten Jahrhunderte stimmt mich eigentlich optimistisch.
    Wenn man sich z.b. überlegt, dass noch im 18. Jahrhundert auf deutschen Marktplätzen die „Sportart“ Fuchsprellen ausgeübt wurde, wobei lebende Füchse aus Vergnügen durch das sogenannte Prelltuch bis zu 6 Meter in Luft geschleudert wurden und der Aufprall auf dem Boden zur Belustigung beitrug, sieht man schon, dass es – zumindest solange es nicht im Verborgenen, entkoppelt von der direkten Wahrnehmung hinter Schlachthofmauern passiert – einen etwas anderen Umgang mit Tieren gibt.
    Damals hätte wohl kein Mensch geglaubt, dass es mal so etwas wie ein Tierschutzgesetz geben würde.
    Heutzutage würde man jemanden, der auf einem Marktplatz einen Fuchs 6 Meter in die Höhe wirft wahrscheinlich in eine geschlossene Anstalt einweisen und im Gegensatz dazu gibt mittlerweile so etwas wie ein Pflanzenschutzgesetz.
    Auch wenn das Tierschutzgesetz überarbeitet werden sollte und das
    Pflanzenschutzgesetz ausbaufähig ist, sieht man doch, dass das Feingefühl für Tiere und Umwelt wächst.

    Gefällt 2 Personen

Kommentar verfassen

Trage deine Daten unten ein oder klicke ein Icon um dich einzuloggen:

WordPress.com-Logo

Du kommentierst mit deinem WordPress.com-Konto. Abmelden /  Ändern )

Facebook-Foto

Du kommentierst mit deinem Facebook-Konto. Abmelden /  Ändern )

Verbinde mit %s

Diese Seite verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden..

%d Bloggern gefällt das: