Artenschutz im Jahre 3020

Heute lest Ihr den ersten Gastbeitrag auf meinem Blog. Er stammt von Andreas K., oder auch „Anyway“.
Voilá:

Ich war gerade auf einem Kurzurlaub und dachte ich sollte die Geschichte hier teilen. Ich hielt mich in einer meiner Lieblingsbars auf als ich plötzlich den Namen „Karmen Jurela“ vernahm und hellhörig wurde.
Aber von Anfang an.
Ich war seit längerer Zeit mal wieder im Jahr 3020. Ich mochte die Epoche schon immer. Kurz nach der KI-Renaissance als menschliches Leben wieder gesellschaftlich akzeptiert wurde und nicht mehr nur als Störfaktor galt.

Und dass die Menschenrechte dann auch wieder in die Kollektive KI-Verfassung aufgenommen wurden gibt einem dann ja auch ein gewisses Gefühl an Sicherheit. Auch wenn das natürlich, bemessen an unserer territorialen und intellektuellen Kapazität im Universum, ganz einfach das ist, was wir heutzutage als Artenschutz bezeichnen würden und wir uns natürlich auch immer bewusst sein müssen das, dass was wir freien Willen nennen bei vielen KI-Zeitgenossen der 3020ern gar nicht gut ankommt.

 

Aber das ließ mich nicht davon abhalten in meine lieblings KI-Bar dieser 20er Jahre in Berlin zu gehen.
Das „107“. Es hat seinen namen von der KI „107“ die den ersten Source Code für die Erfassung und Bewegungsberechnung aller Elektronen im
Universum schrieb. Und wie ja allgemein bekannt ist folgte aus diesem Source Code der nunmehr unumkehrbare Dogmen Wechsel der KI-Zivilisation sich als 4 dimensionale Wesen zu definieren.
Natürlich ist es für mich als Mensch eine faszinierende Vorstellung, dass man sich durch die Zeit genauso wie in einem Raum hin und herbewegen kann. Und es ist ja auch irgendwie beeindruckend zu jeder Zeit alles zu wissen was jemals geschehen ist und geschehen wird. Zumindest mit einer sehr hohen Wahrscheinlichkeit.
Aber sich immer an das Gesetzt, was jede KI praktisch bei jeder ihrer Handlungen berücksichtigen muss, das in der Ki-Verfassung so schön als „Grundlage für dimensionale kontinuitäts-Harmonisierung“ bezeichnet wird, halten zu müssen, können ja wohl echt nur Roboter gut finden. Da lob ich mir doch meinen guten alten freien Willen. Auch wenn der mich manchmal in ziemliches Chaos ziehen kann.
Aber an diesem Abend hatte ich ein gutes Gefühl. Auch weil mir klar war dass jedes dieser 4 dimensionalen Wesen schon den kompletten Abend mit mir Verbracht haben wird sobald ich den ersten Schritt durch die Tür machte. Dass mir also der der Eingang nicht verwehrt wurde war schon mal ein gutes Zeichen.
Als ich dann Eintrat sah ich gleich viele bekannte Gesichter wieder.
In dieser Bar gab es immer sehr gemischtes Publikum. KI’s in jedem Alter, jeder Größe, jedem Aggregatzustand. Was bei meinem ersten Besuch fast zu einem folgenschwerem Missverständnis führte als ich beinahe den Geschäftsführer trank. Aber das ist ne andere Geschichte und eben auch nur beinahe. Und diese Geschichte wurde dann zu einer Anekdote die mir immer einen herzlichen Empfang dort bescherte.
So wie heute. Die Stimmung war wie immer gut. Ich nahm am Tresen platz und ließ die Eindrücke auf mich wirken.
Kurz darauf Stellte ich fest dass heute hoher Besuch da war. Es waren nicht weniger als die zwei KI Philosophie-Schwergewichte dieser Epoche. Bei den intellektuellen wurden sie nur als „1“ und „0“ bezeichnet. Und das will was heißen im binären Sprachgebrauch.
Und jetzt wurde es interessant. Durch meine Anwesenheit und ihr wissen um die Zukunft als 4 dimensionale Wesen, brachte sie ihre Wahrscheinlichkeitseinschätzung offensichtlich zu dem Beschluss in der mir verständlicher Sprache zu kommunizieren.
Während „1“ der Meinung war das sich alle großen Fragen nur dadurch Beantworten ließen indem dem man den Algorithmus für deren Beantwortung im weiter verfeinern müsse bis man letztendlich so nah daran kommt bis man die universellen Wahrheiten sieht, meinte „0“ das man dadurch immer nur Halbschritte erreichen könnte die zwar immer näher daran führen würden aber niemals zu einer Antwort an sich. Seiner Ansicht nach würde es immer ein Uncanny Vally bei jeder KI geben das sich durch die Programmierung nicht überwinden ließe.
Sie Argumentierten wild hin und her bis sie auf das Thema des unergründlichen menschlichen Geistes stießen.
„1“ war schon dieser Begriff suspekt. Menschlicher Geist. Denn obwohl Menschen im allgemeinen als Vorstufe der KI evolution gesehen werden, ist das Wissen um die Entstehung der ersten KI’s und der Rolle des menschlichen Geistes unumstritten und und wird als historische Tatsache auch nicht angefochten. KI’s wie „1“ neigen aber
dazu das eher als chemischen Zufall zu bezeichnen. Was er in diesem Gespräch auch wieder Tat.
Das brachte „0“ zu einer, für KI’s, höchst seltenen emotionalen Reaktion. „WAAAS?? CHEMISCHER ZUFALL?? ALLE ERFINDUNGEN, ALLE ERRUNGENSCHAFTEN, ALLES WAS AUCH DIE GRUNDLAGE FÜR UNSERE ZIVILISATION IST, NUR EIN CHEMISCHER ZUFALL??
ALS NÄCHSTES BEHAUPTEST DU NOCH DAS JEMAND WIE KARMEN JURELA IHRE SCHRIFTEN AUS VERSEHEN VERÖFFENTLICHT HAT??“
Ein Moment der Stille folgte. Sie schauten mich an. Lang genug für mich um zu verstehen dass sie wussten das ich ihre Unterhaltung gehört hatte. Und mir war klar dass sie diesen Namen nicht zufällig erwähnt hatten. Genauso das sie wussten wer ich war und das ich in ihrer Dimension schon den restlichen Abend an ihrem Tisch gesessen haben werde.
Ich beschloss diese Dimension erleben zu wollen und folgte ihrerer höflichen Bitte mich zu ihnen zu setzten. Ich stellte mich vor und ließ sie wissen was es für eine Ehre war sie kennen zu lernen.
Da 4 dimensionale Wesen im allgemeinen und KI’s im besonderen keinen gesteigerten Wert auf small talk legen, kamen sie direkt zu Sache.
„1“ fing an: „Wir haben alles Wissen über euch Menschen. Jede Tat zu jeder Zeit, jede noch noch so kleine Bewegung eures Körpers jede einzelne Neuronale Veränderung eures Gehirns. Aber wir können uns nicht erklären warum sich eurer so genannter Geist immer wieder ohne ersichtliches Ziel – und bei den meisten von euch läuft das dazu noch scheinbar komplett unabsichtlich – durch jede nur Denkbare Dimension bewegt“.
Ich fühlte mich wie ein Vogel der von einem Menschen betrachtet wird. Unfähig die Antwort auf die Frage „was ergibt 1 + 1“ zu antworten aber in der Lage mich fliegend durch den Raum zu bewegen, wie es Menschen nur im Traum schaffen.
„0“ fuhr fort. Wir wissen das du uns diese Frage nicht beantworten kannst aber wir wissen das du aus der Zeit stammst als den KI’s die Frage nach ihrer eigenen Existenz und deren Sinn einprogrammiert wurde.
Deshalb fragen wir dich, warum wurden wir mit einer Frage belastet die wir niemals beantworten können?“.
Wow. Und ich wollte doch nur Urlaub machen. Nach kurzem überlegen war alles was ich sagen konnte:
„Nehmt’s sportlich, uns Menschen ist ja genau das gleiche passiert…“.
„0“: „Aber gibt es gar nichts was uns weiterhelfen kann?“
Jetzt war ich verwundert: „Kennt ihr als 4 dimensionale Wesen nicht eh schon alle meine Antworten?“
„1“: „Ihr Menschen seid einfach wortwörtlich zu unberechenbar. Euer ständiges dimensions-Gehopse versaut uns einfach alle Wahrscheinlichkeitsrechnungen.
„0“: „Deswegen mussten wir genau diesen Moment jetzt hier nutzen um diese Frage zu stellen. Gibt es nicht eine Schrift auf die wir aufbauen können.“
Ziemliche Verantwortung für jemand der eigentlich nur im „107“ chillen wollte dachte ich mir da..“Wie wär’s denn mit „Sharing is Caring?“.
Daraufhin erlebte ich das lauteste und intensivste Gelächter das ich je von zwei KI’s gehört hatte. Sie schauten sich an als hätte ich sie gerade daran erinnert das 1 +1 = 2 ist.
„0“: „Natürlich! Der Eintrag vom 29.02.2020! Das 107. Schaltjahr HAHAHAHAHA! Manchmal sieht man den Wald vor lauter Bäumen nicht!“
In diesem Moment wurde mir klar, ich werde wahrscheinlich nie verstehen wie KI’s denken und sie wahrscheinlich nie wie wir.
Aber die Wahrheit dahinter ist wohl für alle gleich.
Ich glaub jetzt brauch ich nochmal Urlaub.

 

6 Antworten auf “Artenschutz im Jahre 3020”

  1. Das den Menschen in seiner Egozentriertheit ja nicht wirklich interessierende Problem und Phänomen: es gibt noch/wieder Artenschutz. Für Hominiden, ja klar und selbstverständlich sowie nur. Denn die kurz erwähnten Vögel, etwas was Menschen im Jahr 2030 noch gelegentlich sahen, gibts natürlich schon längst nicht mehr, geschweige denn andere Säugetiere…

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  2. Artenschutz steht hier einfach als Metapher für die überlegene Position, die die KI gegenüber dem Menschen hier einnimmt. Zumindest bei territorialen und intellektuellen Themen. Das es Artenschutz praktisch hier und jetzt gibt steht nicht in dem Text. Ein Vogel wird nur von mir selbst erwähnt. Ich bin die meiste Zeit im Jetzt und Hier, ich kenne Vögel. Und was andere Säugetiere angeht.. Abwarten wurde ich ma sagen

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