„Ehrlich gesagt“

Ich hörte zufällig ein Gespräch, in dem eine Frau ihre Sätze immer wieder mit „Ehrlich gesagt, …“ anfing. Sie machte das 3-4 mal, während der halben Stunde, in der ich Hörweite saß.

Das beschäftigte mich:
„Ehrlich gesagt… “ – Watt solln ditt heissen??
Dass sie sonst nicht ehrlich spricht?
Dass nach diesen Worten der totale Knaller kommt?
Dass Ehrlichkeit angekündigt werden muss?

Ich fragte mich – was wäre, wenn ich ehrlich wäre?
Und fand darin eine Frage mit Tiefgang. Sie ist so offen und so freundlich, dass man sie gar nicht wirklich beantworten muss, aber dass sie lange Zeit innerlich mit einem mitleben kann. Sodass die innere Begleitung dieser Frage wahrscheinlich dazu führt, dass man insgesamt ehrlicher lebt.

Jetzt beim Schreiben fällt mir noch etwas dazu ein: Letztes Jahr habe ich an einem radical honesty Seminar teilgenommen. Das Seminar hat meinen Eindruck sogar verstärkt, dass Ehrlichkeit nur ein gut klingender Mosaikstein des Lebens ist, ihr aber besser nicht alles und jeder Moment unterliegen muss. Ehrlichkeit kann meiner Meinung nach, in solch einer Radikalität zu Gewalttätigkeit mutieren. Verrückte Welt, echt!

Güte, guter Stil, Freundlichkeit und fünfe grade sein lassen können, stehen der Ehrlichkeit manchmal im Weg – und das ist auch gut so.

6 Antworten auf “„Ehrlich gesagt“”

  1. In der Dating-Show „Ein Tisch für zwei“ bei Vox kommt eine stereotype Floskel ständig vor, wenn man sich selber oder seinen Wunschpartner charakterisieren soll. „Offen und ehrlich“ will man selber und sollen alle anderen sein. Dabei fällt mir immer der Spruch ein „Wer für alles offen ist, kann nicht ganz dicht sein“. Und wenn wir alle immer nur ehrlich wären, das wäre ja nicht auszuhalten, wie Du ganz richtig andeutest.

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  2. Ohne Etymologe zu sein, behaupt ich mal, das Wort ehrlich hat den Stamm Ehre.
    Ist jemand also ehrlich, handelt er im Sinne seiner Ehre.
    Das mag für ihn in dem Moment auch wahrhaftig sein – aber es ist keine Garant dafür, daß Ehre = Wahrheit ist.

    Demgegenüber ist die heutige Begrifflichkeit des Wortes „ehrlich“, wie hier auch aufgenommen ein Synonym für „wahrlich“.

    Nun würde es ja etwas anachronistisch im Sprachgebrauch klingen, begänne man einen Satz mit: „wahrlich, ich sage …“

    Vielleicht macht es aber Sinn, dieses Wort neben dem Wort: „ehrlich, sage ich…“ wieder zu benutzen …

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  3. Ehre wem Ehre gebührt – und Ehrlichkeit wem Ehrlichkeit gebührt.

    Mit dem Ziel der Beendigung eines verdeckten oder offenen Krieges im Kleinen wie im Grossen sind sogenannte strategische Analysen UNABLINGLICH, zumindest wenn man einen strategischen Sieg erzielen zu gedenkt.

    Teile Ihren Text ehrlich gesagt jetzt gleich mit meinem Netzwerk.

    Liebe Grüße bitte an Frau Neubronner, die hat Sie mir nämlich ans Herz gelegt.

    Herzliche Grüße vom Havel-Ufer,

    Bibi Novak

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    1. Hallo Bibi herzlich willkommen!

      Meinst Du (darf ich Du sagen?), dass solche Einleitungen wie „ehrlich gesagt“ als Waffe oder Entwaffnungsstrategie benutzt werden? Oder was meinst Du mit den strategischen Kriegskniffen?

      Vielen Dank fürs Teilen! Darüber freue ich mich sehr.

      Bitte schöne Grüsse auch von mir an Frau Neubronner – Ich weiss gar nicht, wer das ist aber die schönen Grüße nehme ich gerne an!

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